Impulskontrolle: die Lösung aller Probleme?

Aktuell flimmern wieder einige TV-Serien über unsere Bildschirme, in denen Hundetrainer großteils über Impulskontrolle an Verhaltensproblemen arbeiten. Doch diese Vorgehensweise hat einige Tücken. In diesem Kurzbeitrag möchte ich einige wichtige Aspekte rund um das Thema Impulskontrolle in Erinnerung rufen.

  1. Es gibt keinerlei Notwendigkeit, Impulskontrolle durch das Androhen oder den tatsächlichen Einsatz von aversiven Mitteln zu trainieren. Es gibt genügend positive Wege, um die Fähigkeiten zu Impulskontrolle auszubauen, die mindestens genauso effektiv sind und einen fairen Umgang mit dem Hund garantieren.

  2. Wenngleich Impulskontrolle ein gutes Tool sein kann um zu verhindern, dass ein Hund sich erst so richtig in eine Situation hineinsteigern kann, hat sie ihre Grenzen! Häufig wird vom Hund erwartet, er möge sich „einfach mal zusammenreißen“.  Die meisten Hunde können das, und machen es notfalls spätestens nach einer Ermahnung (siehe Punkt 1). Nur – diese Fähigkeit ist begrenzt, besonders bei Hunden, die ohnehin schnell hibbelig werden oder gestresst sind. So kann ein Hund sich vielleicht 9 Mal zusammennehmen, beim 10. Mal geht es aber einfach nicht mehr! Denn: die Auslöserreize, die ihn impulsiv reagieren lassen, sind nicht aus der Welt und wenngleich er sich brav „zusammenreißt“, brodelt es im Hund dennoch ungesehen weiter. Es gilt also, immer die Belastungsgrenzen seines Hundes zu erkennen und zu beachten!

  3. Bei der Arbeit an Problemverhalten kann es sehr problematisch sein, ausschließlich oder überwiegend auf Impulskontrolle zu setzen. Ein einfaches Beispiel: ein Hund mag eigentlich keine fremden Menschen und es kann schon mal vorkommen, dass er diese anknurrt oder anbellt. Er lässt sich aber bei Bedarf absetzen und dann zum Teil sogar von fremden Menschen streicheln.
    Eine sehr trügerische Problemlösung! Der Hund sitzt, weil er es gelernt hat und weiß, dass sein Mensch es durchsetzen wird. Er wird aber in dieser Situation keine positive Erfahrung machen und in Zukunft sicher nicht freundlicher gegenüber fremden Menschen sein. Außerdem benötigt er immer die Kontrollfunktion des Menschen. Was, wenn dieser einmal nicht aufmerksam ist und dem Hund niemand „Sitz“ sagt? Der Hund lernt keine Alternativen zum bisherigen Problemverhalten. Schon gar nicht welche, die er selbst nutzen könnte, wenn sein Mensch gerade einmal nicht in der Nähe ist. Und schließlich wird der Hund auch von seiner Umgebung anders wahrgenommen. Laien und selbst Hundefreunde interpretieren es klarerweise anders, wenn ein Hund scheinbar ruhig da sitzt als wenn er bellend auf Distanz geht. Kleinere Stressanzeichen werden nur zu oft übersehen. Möglicherweise bringt man also den Hund in eine Situation, in der Flucht nicht mehr erlaubt ist (er soll ja sitzen), seine Individualdistanz aber deutlich unterschritten wird. Der Handlungsspielraum des Hundes wird kritisch begrenzt. Diese nicht sehr elegante Lösung eines Problemverhaltens könnte eventuell auch sehr unangenehm ausgehen.

  4. Arbeitet man mit seinem Hund ganz gezielt an Übungen zur Impulskontrolle, so sollte man immer darauf abzielen, Kontrolle UND Entspannung kombiniert zu trainieren. Dies gilt besonders für all jene Situationen, in denen der Hund verharren/warten/bleiben soll, obwohl in der Umgebung etwas Spannendes passiert und er verlockt ist, aufzuspringen und los zu rennen. Wie erreicht man dieses Ziel? Der Schlüssel zum Erfolg ist ein kleinschrittiger Aufbau! Anstatt viel körpersprachliches Hemmen und häufiges Ermahnen einsetzen zu müssen, arbeitet man sich lieber mit dem Bestätigen und Belohnen ausgehend von der einfachsten Form einer Übung (zum Beispiel 1 Sekunde lang liegen bleiben) nach und nach über verschiedene Schwierigkeitsstufen vor. Je mehr man das ruhige, entspannte Ausführen der jeweiligen Übung kleinschrittig ausdehnt und gebührend belohnt, desto mehr wird beim Hund eine solide Impulskontrolle verbunden mit tatsächlicher Entspannung aufgebaut. Dann hat das Ganze auch zunehmend weniger mit „sich zusammenreißen“ zu tun, sondern führt zu einem tatsächlich entspannten Hund, der allerlei Reize auch einfach mal passieren lassen kann.

    In diesem Sinne:

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