Anlass zu diesem Blogbeitrag gab mir eine unlängst stattgefundene Hundebegegnung:
Unterwegs mit meiner eigenen Hündin trafen wir auf zwei Schäferhunde samt Besitzerin. Die Hunde kannten sich bereits von mindestens einer flüchtigen Begegnung auf derselben Strecke. Ich beschloss, meine Hündin – selbst kein Paradebeispiel von Souveränität und vorbildlichem Sozialverhalten – anzuleinen und ein paar Schritte neben den breiten Weg zu treten, um die Schäferhunde ohne Kontaktaufnahme passieren lassen zu können. In dem Moment, in dem wir uns gerade fein säuberlich vom Weg geräumt hatten, lief einer der Schäferhunde los und kam bellend direkt zu uns. Der zweite folgte deutlich halbherziger aber doch diesem Vorbild. O-Ton der Besitzerin: „das passt schon, die bellen nur“.
Ja, es stimmt, die Hunde waren harmlos in dem Sinne, als dass sie nicht ankamen um zu beißen oder ernsthaften Zoff zu provozieren. Aber nein, es passte für meinen Hund dennoch gerade ganz und gar NICHT. Um das festzustellen, reichte mir ein Blick auf die Situation und Körpersprache aller Beteiligten.
Unangenehme Begegnungen ähnlich der oben beschriebenen, aber zum Teil noch viel massivere Stresssituationen mit Artgenossen gehören für viele Hunde zum Alltag. Sie bedeuten emotionale Belastung und zum Teil auch körperliche Angriffe. Wie dramatisch oder harmlos eine Begegnung mit einem Artgenossen ist, wird dabei häufig alleine vom Menschen beurteilt. Die Grundhaltung zum Umgang mit Hundebegegnungen schwankt zwischen den Extremen des „die machen sich das schon aus“ einerseits und Mikromanagement bzw. gänzlichem Verbot von Sozialkontakten andererseits. Wie sich der Hund im Kontakt mit Artgenossen fühlt oder wie der Hund selbst die Situation wahrnimmt, wird leider oft von vornherein außen vor gelassen.
Für einen halbwegs gut sozialisierten Hund, der alle paar Wochen mal in eine verzwickte Situation gerät, wird das nicht sehr dramatisch sein. Vereinzelte Stresssituationen, nach denen sich ein Tier wieder ausreichend erholen kann, lassen normalerweise kein nachhaltiges, massives Verhaltensproblem oder Ängste entstehen. Viele Familienhunde leben aber heutzutage in einer Welt, die stark von der abweicht, in der sich unser Haustier Hund ursprünglich entwickelt hat. Die Frequenz, mit der Hunde mit komplett fremden Artgenossen in ihrem eigenen Revier zu tun haben, ist für viele Hunde sehr hoch. Ein unsicherer Hund, der jeden Tag von 20 anderen Hunden unterbuttert und bedroht wird, hat alles Recht dazu, Spaziergänge nicht mehr als Spaß sondern puren Stress zu empfinden! Abhilfe kommt allerdings erst dann, wenn der zugehörige Mensch die körpersprachlichen Signale seines Hundes überhaupt wahrnehmen und richtig deuten kann.
Wie können wir also die Meinung unseres Hundes mehr in den Mittelpunkt rücken und erkennen, wie er diese ausdrückt? Wie können wir entscheiden, wann eine Situation für alle Hunde noch fair verläuft bzw. wann es Zeit wäre, sich als Mensch schlichtend einzumischen?
BEOBACHTUNGSGABE
Um zu erkennen, ob ein Hund sich in der Kontaktaufnahme angemessen und entspannt verhält, benötigen wir als Mensch ein gewisse Kentniss über die hündische Körpersprache. Nur so können wir konkrete Begegnungssituationen zwischen Hunden möglichst objektiv beurteilen und überhaupt eine Basis für die Interpretation der Situation erlangen. Manche Menschen tun sich sehr leicht damit, Details in der hündischen Körpersprache zu erkennen. In jedem Fall aber lässt sich das gute Beobachten auch gezielt erlernen. Zum Einstieg kann man sich ganz konkrete Ziele setzen, wie zum Beispiel: heute beobachte ich bei jeder Hundebegegnung die Ohrenhaltung der Hunde. Morgen die Rutenhaltung. Übermorgen die Körperspannung und den Körperschwerpunkt. Am nächsten Tag die Maulpartie. Und so weiter. Je mehr man sein Auge für diese Details schult, desto leichter und einfacher werden einem die kleinen Elemente der Körpersprache und Mimik später auch im Gesamteindruck auffallen.
INTERPRETATION
Ein reines Beschreiben der Signale, die ein Hund aussendet, hilft natürlich noch nicht bei der Beurteilung der Situation: was ist nun in Ordnung, was ist provokativ, was zeigt Unsicherheit an, und so weiter? Bei der Interpretation von Hundeverhalten können wir versuchen, aus dem Alltag heraus lernen. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Immer, wenn ich Signale X und Y an meinem Hund beobachten konnte, passiert im Sozialkontakt immer/zumeist Interaktion Z. Durch viele solcher Beobachtungen wird unser Erfahrungsschatz erweitert und wir werden uns immer leichter tun, die Entwicklung von sozialen Interaktionen unter Hunden vorherzusagen. Außerdem können wir natürlich auch ganz gezielt nach Ressourcen suchen, die uns helfen, Signale in die richtige Schublade zu stecken. Dafür gibt es Literatur, Texte im Internet, andere Lehrmedien und auch Seminarangebote.
Details im Verhalten einer anderen Spezies zu interpretieren und dabei dennoch möglichst objektiv im Sinne der „Muttersprachler“ zu bleiben, ist für uns Menschen nicht immer leicht, denn unsere eigenen Gefühle, Erfahungen und Vorstellungen prägen unsere Interpretationen. Daher Vorsicht: auch andere Menschen sind nicht vor Fehlern gefeit. Bevor man sich von Trainern oder anderen Experten formulierte Erläuterungen ansieht, sollte man zumindest die fachliche Qualifikation der Personen überprüfen.
HÄUFIGE INTERPRETATIONSFEHLER
Ein paar „Fehldeutungen“ über das Verhalten von Hunden im Kontakt mit Artgenossen begegnen einem immer wieder. Zwei besonders häufige, die oft zu einer grundfalschen Annahme über die beteiligten Hunde führen, sollen hier Erwähnung finden.
Der Hund wedelt mit der Rute, daher ist er freundlich gestimmt.
Das Wedeln mit der Rute wird von Hunden in unterschiedlichen Kontexten gezeigt und ist KEIN klarer Indikator für Freude oder eine freundliche Gesinnung des Hundes gegenüber dem Menschen, Tier oder Gegenstand, mit dem er sich gerade beschäftigt. Ganz allgemein formuliert könnte man sagen, Schwanzwedeln zeigt eine im Vergleich zum Ruhezustand des Hundes erhöhte Erregung an und gleichzeitig eine Motivation, sich mit einem belebten oder unbelebten Gegenüber zu beschäftigen, in Kontakt zu treten, sich darauf zu fokussieren. Schwanzwedeln kann also eine freundliche Stimmung anzeigen, muss aber nicht.
Schwanzwedeln ist nicht gleich Schwanzwedeln. Schauen wir genauer auf die Rutenbewegungen, können wir mehr Informationen über die wirkliche Emotion in unserem Hund ablesen. Eine hoch getragene Rute, die nur an der Rutenspitze langsam und ziemlich steif wedelt, deutet eher auf einen Hund hin, der weniger freundlich als angespannt in die Situation gegangen ist und sich möglicherweise nicht vor einem potenziell entstehenden Außeinandersetzung scheuen wird. Eine von Rutenansatz bis zur -spitze weit ausladend und locker wedelnde Rute, die sich eher in der Horizontalen befindet, zeigt uns eine gelassene, freundliche Kontaktaufnahme an. Eine tief getragene Rute, die ebenso am Rutenansatz „klemmt“ und nur an der Spitze leicht wedelt, zeigt uns einen unsicheren Hund an.
Nicht zu vergessen ist, dass wir für eine angemessene Interpretation der Motivation eines Hundes immer das Gesamtbild nicht aus dem Blick lassen sollten. Es macht keinen Sinn, ausschließlich auf die Rute zu sehen und daraus verlässlich ablesen zu wollen, wie ein Hund sich in einer Interaktion fühlt oder wie er gleich reagieren wird. Dafür sind unsere Hunde zu individuell und außerdem aufgrund von unterschiedlicher Optik mit unterschiedlichen Grundvorraussetzungen ausgestattet. Es gibt zum Beispiel Hunde, die ihre Rute generell häufig hoch (z.B. Rassen mit einer Ringel- oder Sichelrute), tief (z.B. Windhunde) oder horizontal (z.B. Flat Coated Retriever) tragen.
Die Rutenhaltung, Geschwindigkeit des Wedelns und wo genau die Rute sich bewegt, liefern also Hinweise auf die emotionalen Vorgänge im Hund, sollten aber immer im Gesamtbild mit der restlichen Körpersprache des Hundes interpretiert werden. Außerdem sind die meisten Hunde wirkliche Meister im Frieden halten und Meiden von Konflikten, selbst wenn sie tägtäglich vielen (fremden) Artgenossen begegnen. Nur, weil eine Kontaktaufnahme etwas angespannt abläuft, heißt es noch lange nicht, dass die Hunde nicht dennoch höflich und ohne Angriff wieder außeinander gehen.
Die Vorderkörpertiefstellung ist eine Aufforderung zum Spiel.
Es stimmt, dass Hunde die Vorderkörpertiefstellung in einem spielerischen Kontext nutzen. Eine nahezu idente Körperhaltung kann jedoch auch im nicht-spielerischen Zusammenhang auftreten. Auf heutigem Wissensstand wird davon ausgegangen, dass die Vorderkörpertiefstellung im Spiel dazu dient (1) ein Spiel zu initiieren oder nach einer Pause fortzusetzen und (2) das Verhalten der miteinander in Kontakt tretenden Hunden besser zu synchronisieren: oft zeigen zwei Hunde so gut wie gleichzeitig das Ablegen in die Vorderkörpertiefstellung. Gut synchronisierte Verhaltensweisen können das reibungslose Spiel erleichtern, da die beteiligten Hunde emotional „gleichgeschaltet“ werden.
Die echte Einladung zum Spielt sieht zumeist so aus, dass der Hund seine Vorderbeine gänzlich am Boden ablegt, sodass die Ellbogen den Boden berühren. Die Vorderbeine sind dabei leicht bis weit nach außen gestreckt, entsprechend einem V, das seine Basis an der Hundebrust hat. Die Körpersprache und Mimik ist locker, das Maul kann geöffnet sein, die Rute wird nicht über dem Rücken sondern locker unter der Rückenlinie gehalten.
Abweichend davon wird das Absenken des Vorderkörpers auch in einem jagdlichen Kontext gezeigt – im Englischen unterscheidet man sogar wörtlich zwischen der Spielaufforderung „play bow“ und der Körperhaltung während der Fokussierung auf eine Beute „prey bow“. Geht es um eine jagdliche Motivation, sind die Vorderbeine eher parallel gehalten, der Blick direkt auf ein bestimmtes Ziel (anderes Tier, Spielzeug) fokussiert, die Körperhaltung starrer und die Rute wird steif eher über dem Rücken getragen. Ein weiteres Erkennungsmerkmal sind wieder die Ellbogen, die beim „prey bow“ nicht ganz am Boden abgelegt werden. Der Brustkorb des Hundes senkt sich also nicht so weit zum Boden wie bei der echten Aufforderung zum Spiel.
Ein Absenken des Vorderkörpers kann von Hunden auch gezeigt werden, wenn sie unsicher oder ängstlich gegenüber einem Menschen oder einem Hund sind und nicht so recht entscheiden können, wie sie sich aus einer unangenehme oder beängstigenden Situation aus ihrer Sicht am besten entziehen sollen: flüchten oder doch lieber konfrontieren? Hier kann zeitgleich ein Knurren oder Verbellen stattfinden, außerdem wechselt der Hund eher häufig seine Position, verharrt also nicht wirklich in einer Vorderkörpertiefstellung, sondern wechselt sehr schnell zwischen Annäherung und Distanz, Absenken des Körpers und wieder aufrichten. Besonders Menschen interpretieren dieses Verhalten eines Hundes ihnen gegenüber häufig als Spiellaufforderung, während der Hund sich eigentlich gerade nur komplett ÜBERfordert fühlt.
Wie beim Wedeln mit der Rute heißt es natürlich auch hier: für die Interpretation einer Verhaltensweise bezieht man möglichst immer aktuelle Verfassung, körperliche Grundvorraussetzungen und das große Ganze der körpersprachlichen Elemente mit ein.
VORRAUSSICHT
Hundekommunikation entsteht nicht erst, wenn sich Hunde schon Nase zu Nase gegenüberstehen. Die ersten Signale werden immer schon auf Distanz gesendet. Diese Schwelle, ab der Hunde gegenseitig in kommunikativen Kontakt treten, hängt vom Hund selbst, vom Gegenüber, von der Tagesverfassung, der Einsichtigkeit eines Geländes und vielen weiteren Faktoren ab und kann daher variieren. Besonders die feinen, unscheinbaren Signale, die Hunde schon auf Distanz aussenden, werden vom Menschen häufig übersehen. Dann kann es auch passieren, dass Hunde zum Beispiel an der Leine zu einer Kontaktaufnahme förmlich gezwungen sind, der sie eigentlich 50 Meter weit entfernt schon entgehen wollten.
Durch Aufmerksamkeit schon aus der Ferne lassen sich auch Missverständnisse vermeiden. Nicht selten reagieren zum Beispiel unsichere Hunde auf eine forsche Annäherung (wie etwa leichtes Starren, steifer Gang, Ducken, Schleichen) von Artgenossen mit Gebell. Letzteres ist sehr auffällig und häufig wird dann der vorsichtigere Hund, der nur reagiert aber mit dem unangenehmen Auftreten des Artgenossen eigentlich gar nichts zu tun haben möchte, gescholten. Dass der andere Hund die Reaktion ausgelöst hat, wird durch seine subtileren oder zumindest leiseren Signale häufig übersehen.
Auf Distanz können Hunde außerdem ihre Motivation deutlicher anzeigen. Möchten sie sich annähern oder eigentlich lieber entfernen? Beobachtet man, dass der eigene Hund bei Hundesichtung aus der Ferne häufig zur Seite oder zum Menschen blickt, auffällig am Wegesrand schnüffelt, stehen bleibt oder seitlich abbiegen möchte, können dies Anzeichen dafür sein, dass er sich in der aktuellen Situation gar nicht weiter an den entgegenkommenden Hund annähern möchte. Wird hingegen eine gewisse Distanz unterschritten, sehen sich Hunde häufig nicht mehr in der Lage, der Kontaktaufnahme zu entgehen und können dann zum Teil sogar zielstrebig den anderen Hund ansteuern. Aus Sicht des Hundes ist dann ein Entfernen nicht mehr möglich und es gibt manchen Hunden mehr Kontrolle, dann recht direkt in den Sozialkontakt einzusteigen ( – zu agieren) als noch weiter zu zögern (- zu reagieren). Übersehen wir also wichtige Kommunikationselemente aus der Distanz, können wir die Motivation zu einer Kontaktaufnahme möglicherweise falsch deuten.
KEIN KONTAKT/KEIN SPIEL IST AUCH IN ORDNUNG
Hunde haben unterschiedliche Vorstellungen von angenehmem Sozialkontakt und dies ist völlig normal. Nicht jeder Hund spielt gerne und nicht jeder Hund findet es angemessen, jedem Artgenossen aus der Nähe „guten Tag“ zu sagen. Die Vorliebe zu einer bestimmten Häufigkeit und Intensität von Sozialkontakten ist außerdem nicht einmal innerhalb der Lebzeit ein- und desselben Hundes in Stein gemeißelt, sondern verändert sich fortlaufend durch Alter, Gesundheit und bisher gemachte Erfahrungen. Als Hundehalter sollten wir akzeptieren, welches Ausmaß an direktem Sozialkontakt (mit unbekannten Hunden) unser Hund für nötig und angenehm hält. Aus dem Rest sollten wir ihn – so gut es eben möglich ist – heraushalten.
Möchten wir das Verhalten unseres Hundes in eine andere Richtung steuern, zum Beispiel weil sich der Hund in Anwesenheit von anderen Hunden allgemein angespannt verhält und wir ihm helfen möchten, Nähe zu Artgenossen als angenehmer zu empfinden, so muss dies langsam und durchdacht erfolgen, keinesfalls mit der Radikalmethode nach dem Schema: „da muss er durch“. Schon gar nicht sind dafür unbekannte Hunde als Statisten geeignet, denen man einfach zufällig begegnet und von denen man keine Informationen über ihre sozialen Kompetenzen hat.
DIE MESSLATTE AM „SCHWÄCHSTEN“ ANLEGEN
Kommt es zu einem Treffen zwischen zwei oder mehreren Hunden, sollten wir als Mensch immer darauf achten, dass die Unversehrtheit des Tieres gewahrt bleibt, das am meisten Schutz benötigt. Dies sind häufig vor allem junge Hunde oder unsichere Hunde, aber je nach individueller Dynamik ergeben sich auch andere „Opfer“. Daher hilft auch hier wieder: beobachten, beobachten, beobachten. Mit dem Hund in den nächsten Park zu laufen und ihn dort in einer Hundegruppe einfach eine halbe Stunde lang vor sich hin wuseln zu lassen, während man selbst gar nicht auf das Geschehen unter den Hunden achtet, ist wirklich nicht anzuraten. Viele Hunde können sich entspannt miteinander austoben und Konflikte selbst lösen. Aber manchmal steigt die Aufregung und das Spiel wird zu minutemlangen Mobbing. Manchmal ist ein Hund dabei, der sich selbst nicht Abstand zu Artgenossen verschaffen kann, wenn er dies möchte. Manchmal haben Hunde sehr unterschiedlich ausgeprägte Vorstellungen davon, was sich unter Hunden so gehört und was nicht. Daher ist zumindest unsere Aufmerksamkeit auf das Geschehen gefordert. Nicht bei jeder Kleinigkeit mitmischen, aber den Überblick behalten und den eigenen Hund von Problemen fern halten, wenn es nötig ist.
Auch wenn der eigene Hund derjenige ist, der sich gerade zu grob oder unangemessen verhält, helfen wir durch eine Entfernung (zum Beispiel durch freundliches Abrufen) aus der Situation nicht nur dem Hund, der gerade bedrängt wird, sondern auf lange Sicht auch dem eigenen Hund. Einschüchterungstaktiken an Artgenossen zu versuchen, entwickelt sich bei Hunden nämlich häufig ursprünglich auch durch Unsicherheit im Sozialkontakt (es gibt natürlich auch andere Wurzeln dafür). Ein Hund, der durch sein eigenes (grobes) Verhalten das Verhalten anderer Hunde zu steuern lernt, fühlt sich sicherer und boostet sein Ego – dies kann also für den Hund eine andere Form der Bewältigung des Problems sein als zum Beispiel zu flüchten.
Besonders jene Hunde, die unsicher sind und eher mit aktiver Unterwerfung oder Tendenz zur Flucht auf Konflikte reagieren, zeigen ihren Besitzern häufig schon lange vor diesen Maßnahmen an, dass sie sich eigentlich im Kontakt mit einem Artgenossen gerade massiv unwohl fühlen. Zeichen, auf die man achten kann wären hier: erhöhte Aufnahme des Blickkontaktes zum Besitzer, häufiges Hinlaufen zum Besitzer bzw. Verstecken hinter dem Besitzer oder Gegenständen, Anbellen des Besitzers, Hochspringen am Besitzer. Beobachtet man diese Anzeichen am eigenen Hund, tut man seinem Hund meistens einen riesigen Gefallen, wenn man den Artgenossen auf Abstand hält bzw. sich einfach aus dem Staub macht. Beobachtet man diese Zeichen an einem Hund, der gerade mit dem eigenen Hund Kontakt hat, ist es an der Zeit, letzteren abzurufen oder aus der Situation zu holen, um dem anderen Hund Raum und eine Verschnaufpause zu geben. Selbst dann, wenn der Besitzer des unsicheren Hundes einen nicht dazu auffordert oder gar nicht auf seinen Hund achtet.
DER UMGANG MIT FEHLERN
Hunde haben unterschiedliche Charaktäre. Nahezu jeder, der zum Beispiel einen selbtbewussten Draufgänger, einen ungestümen Junghund, einen größenwahnsinnigen Rüpel oder einen unsicheren Vorprescher als seinen Hund hat, wird vermutlich schon einmal in der Situation gewesen sein, dass irgendwas schief lief, der eigene Hund nicht auf den Rückruf gehört hat, einen anderen Hund bedrängt oder diesem sogar ernsthaft Schaden zugefügt hat. So etwas kann trotz vieler Vorsichtsmaßnahmen und bester „Führung“ eines Hundes passieren. Es ist wichtig zu verstehen, dass auch Hunde, die solche Verhaltensweisen an den Tag legen, keine schlechten oder bösen Hunde sind. Sie zeigen Verhaltensweisen, die grundsätzlich zum völlig normalen Repertoire eines Hundes gehören. Problematisch wird es dann, wenn diese Verhaltensweisen aufgrund der Umwelt, in die der Hund lebt, zum Dauerprogramm werden und laufend Konflikte erzeugen. Und zwar für alle Beteiligten, auch den Hund, der den Krawall verursacht.
Es ist keine Schande, wenn einem einmal ein Fehler im Handling des eigenen Hundes unterläuft. Eine ehrliche Entschuldigung, unmittelbares Management des Hundes (es nennt sich oft Rückruf und/oder Leine) und ein kritisches Reflektieren darüber, was passiert ist und ob man beim Ausführen des eigenen Hundes dauerhaft etwas verändern sollte um manche Situationen von vornherein entschärfen zu können damit sie sich nicht permanent wiederholen, sind aber angebracht. Ich hätte mir genau das von der Besitzerin der zwei Schäferhunde gewünscht und hätte vollstes Verständnis gehabt, anstatt mich etwas über ihren Spruch ärgen zu müssen. Und ich erinnere mich auch selbst immer wieder bewusst daran, all diese Punkte zu beachten. Weder Hund noch Halter müssen perfekt sein. Verständnis und allermindestens das Bemühen um Rücksichtnahme auf das jeweilige Gegenüber sind aber Pflicht.
In diesem Sinne: fröhliches Dogwatching 🙂
Ein sehr detailreicher und gut aufgestellter Artikel.
Habe mich sehr gefreut, diesen Blog heute entdeckt zu haben und freue mich auf weitere Texte deines Trainerblogs.
Kollegiale Grüße aus Bayern
Daniela
Vielen lieben Dank, der nächste Artikel ist schon geplant – muss nur noch aus dem Kopf ins Netz 🙂
Werde auch bei dir mal reinschauen 🙂
Vielen Dank ! Ein sehr lehrreicher und positiver Artikel. Als Mehrundehalterin (5 Fellnasen) muss ich mich solchen „Konflikten“ immer wieder stellen – wobei ich meist mit den Hundehaltern/-innen mehr Probleme habe, als mit den Tieren selbst.