Habt ihr es selbst schon einmal beobachten können? Hunde täuschen manchmal andere Hunde, um an beliebte Ressourcen zu kommen. Fehlalarm an der Wohnungstüre scheint eine besonders häufig genutzte Masche zu sein. Alarmgebell, das normalerweise einen Besucher ankündigt, bringt den Artgenossen dazu, einzustimmen und zur Tür zu laufen. Währenddessen hat der „betrügerische“ Hund die Zeit, dem Kumpel den Kauknochen oder den Liegeplatz zu stehlen.
Ähnliche Beobachtungen machte auch Marianne Heberlein bei ihren eigenen Hunden. Mit KollegInnen an der Universität Zürich erforschte sie daraufhin, ob Hunde auch Menschen derart in die Irre führen. Im März 2017 erschienen die interessanten Studienergebnisse in einem Artikel im Fachjournal Animal Cognition.
Die 27 hündischen Studienteilnehmer unterschiedlicher Rassen und Altersstufen nahmen zuerst an einem Basistraining teil. Darin wurden jedem Hund zwei vormals unbekannte Personen vorgestellt. Eine Person verhielt sich immer kooperativ, indem sie dem Hund Würstchen und Hundekekse aus einem Napf zeigte und verfütterte. Die andere Person verhielt sich kompetitiv: sie zeigte dem Hund ebenso die Leckerbissen, steckte sie dann aber in die eigene Jackentasche.
Nach dem Basistraining folgte eine zweite Trainingsphase. In diesem Haupttraining versteckten die Hundebesitzer vor den Augen des jeweiligen Hundes zwei gleichwertige Leckerbissen in zwei Boxen. Nachher hatten die Hunde die Möglichkeit, den kooperativen und den kompetitiven Testpartner (in seperaten Trainingsinstanzen) zu einer dieser zwei Boxen zu führen. Zeigte ein Hund Interesse an einer Box, wurde diese vom kooperativen Partner geöffnet und der Hund erhielt die Belohnung, wohingegen der kompetitive Partner die Leckerbissen wieder vor den Augen des Hundes in die eigene Tasche steckte. Danach lernten die Hunde außerdem, dass sie im selben Trainingsdurchgang den eigenen Besitzer noch einmal zu einer der Boxen führen konnten. Wählten sie die noch gefüllte Box, erhielten sie vom Besitzer den zweiten Leckerbissen.
Sobald die Hunde Trainingsphase eins und zwei erfolgreich gemeistert hatten, waren sie bereit für den eigentlichen Test. Dieses Mal wurden dem Hund vom Besitzer drei Boxen präsentiert, wobei in erste ein Stück Wurst und in die zweite ein Hundekeks gefüllt wurde, wohingegen die dritte Box leer blieb. Die Hunde hatten also die Option, zu einer hochwertigen, einer mittelmäßigen oder gar keiner Belohnung zu gelangen. Wieder führten die Hunde die Testpartner (kooperativ und kompetitiv) zu den Boxen, wobei die menschlichen Partner nicht wussten, welche Box mit welchem Inhalt versehen worden war. Die Testpartner verhielten sich wie in den Trainingsphasen. Die Tests wurden an zwei Tagen und je zwei Mal mit dem kooperativen und kompetitiven Partner durchgeführt.
Wie würden die Hunde reagieren? Wären sie in der Lage, die Testsituationen für ihren eigenen Vorteil zu nutzen, indem sie den kompetitiven Testpartner zur leeren Box führten, um nachher eine der übrig gebliebenen gefüllten Boxen mit dem Besitzer leeren zu könnnen? Würden sie sich dem kooperativen Partner gegenüber anders verhalten?
Insgesamt zeigte sich, dass die Hunde ihr Verhalten erstaunlich gut anpassen konnten, je nachdem ob sie gerade mit dem kooperativ oder kompetitiv agierenden Partner zusammen waren. Der kooperative Partner wurde im Test häufiger als durch Zufall angenommen zu der Box geführt, die für den Hund die hochwertigste Belohnung enthielt. Die leere Box wurde eher vermieden. In der Zusammenarbeit mit dem kompetitiven Partner, zeigten die Hunde ein anderes Verhalten als mit dem kooperativen Partner. Interessanterweise schienen hier aber zwischen den Testtagen eins und zwei bei manchen Hunden noch Lernzprozesse stattzufinden. Am zweiten Testtag vermieden es die Hunde im Schnitt, den kompetitiven Partner zu der Box mit dem bevorzugten Futter zu führen. Sie konnten also verhindern, dass dieser die Box entleerte und das Futter für sich behielt.
Zwischen den Hunden zeigten sich auch starke individuelle Unterschiede. Manche Hunde konnten die Testsituation sehr gut durchschauen und führten den kooperativen Partner immer und den kompetitiven Partner nie zu der Box mit der hochwertigsten Belohnung. Bei anderen war das Ergebniss nicht so deutlich und sie vergaben (manchmal) die Chance, den beliebtesten Leckerbissen zu erhalten.
Die Studienergebnisse beweisen, dass Hunde eine erstaunliche Flexibilität in ihrem Verhalten zeigen konnten. Sie folgten nicht einer strikten Regel, sondern dachten darüber nach, welche Optionen ihnen offen stehen. Viele Hunde konnten in einer neuen Testsituation sehr schnell erkennen, welches Verhalten ihnen den größten Vorteil einbringen wird. Die StudienleiterInnen rund um Marianne Heberlein sehen in ihren Testergebnissen den Hinweis dafür, dass Hunde zur taktischen Täuschung fähig sind, bei der die Tiere ohne vergangene Lernerfahrungen ein gewisses Verständnis dafür aufbringen, wie „Täuschungsmanöver“ das Verhalten von anderen Individuen beeinflussen. Weitere Studien mit Hunden werden nötig sein, um die kognitiven Leistungen unserer Hunde auf diesem Gebiet noch weiter zu ergründen.
Vielleicht also sollten wir uns manchmal fragen, welche Pläne unser Hund wohl gerade schmiedet, wenn er uns mit den großen Kulleraugen ansieht. Darauf hereinfallen werden wir aber vermutlich weiterhin 🙂
Link zur Originalstudie: http://link.springer.com/article/10.1007/s10071-017-1078-6